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Cluj, die europäischste Stadt

Hans-Willi Hermanns schreibt in der Kölner Rundschau über das Buch „Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause / Klausenburg – Visul e casa noastră secretă“:


Cluj, die europäischste Stadt

Peter Rosenthal gibt Gedichtband über Kölns Partnerstadt in Rumänien heraus

Der Leser begegnet einem Engel, der Lippenstifte isst, jungen Leuten, die das das Sowjetregime mithilfe der Beatles und der Stones stürzen wollen. Er schaut ins Cafe Croco, wo die Bohèmiens ihren Kaffee trinken, er liest die Legende vom Hirten, der einst die Stadt vor der türkischen Besatzung rettete, versucht nachzuvollziehen, wie eine Pizza mit Gurken schmeckt oder wie man eine Skulptur aus Luft baut.
Und dann ist da noch Irina Petraș’ vergleichsweise sachliche Schilderung des Kulturlebens von Cluj, mit seinen Konzerten in der Philharmonie, den Theater- und Opernaufführungen, den Verlagen und Vorlesungen. Cluj? Nie gehört? Kein Wunder, der Name ist in Rumänien gebräuchlich, bei uns ist die Stadt nicht zuletzt dank des immer noch bemerkbaren Anteils von Siebenbürger Sachsen an der Gesamtbevölkerung eher als Klausenburg bekannt.

Unbekannte Stadt

Den meisten werden beide Namen nicht viel sagen, und das, obwohl Klausenburg eine der Partnerstädte Kölns ist. „Für die meisten hier ist Peking natürlich wesentlich interessanter“, kommentiert Peter Rosenthal lachend die Wissenslücken seiner Mitkölner.
Rosenthal ist Mitbegründer des Kölner Weissmann Verlags und hat dort unlängst als Herausgeber einen Band veröffentlicht, der sogar beide Namen auf dem Einband trägt: „Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause. Klausenburg – Visul e casa noastră secretă“. Versammelt sind darin Kurztexte oder Gedichte von 18 meist rumänischen Autoren zu den unterschiedlichsten Themen rund um die Stadt Klausenburg, auch stilistisch ist die Bandbreite enorm.
Alle Texte sind in der Originalsprache und in deutscher Übersetzung abgedruckt, die Peter Rosenthal selbst besorgt hat. Denn er verbrachte seine Kindheit in Rumänien und kam mit 13 Jahren nach Köln, wo er bis heute mit seiner Familie lebt und als Internist arbeitet.

„Wer Klausenburg malerisch findet, findet auch Köln malerisch“. „Und wer Köln malerisch findet, kann nicht malen.“

Peter Rosenthal

Mit Klausenburg verbindet den Herausgeber so viel allerdings nicht, er ist in Arad nahe der ungarischen Grenze aufgewachsen. Auch hat er Klausenburg nicht gewählt, weil es eine besonders malerische Stadt wäre: „Wer Klausenburg malerisch findet, findet auch Köln malerisch“, sagt er verschmitzt. „Und wer Köln malerisch findet, kann nicht malen.“ Es war eher der Zufall, der zu dem Buchprojekt führte: „Meine erste Buchveröffentlichung,„Entlang der Venloer Straße“, ist auch ins Rumänische übersetzt worden, deshalb war ich zu einer Lesung nach Klausenburg eingeladen.“ Als Mitglied des PEN-Zentrums für deutschsprachige Autoren im Ausland lernte Rosenthal dort durch die Vermittlung von Irina Petras Kollegen der rumänischen Schriftstellervereinigung Klausenburg kennen, die einen gemeinsamen Band über ihre Stadt vor allem als Unterstützung der Idee eines geeinten Europas befürworteten. „Es gibt ja kaum eine europäischere Stadt als Klausenburg“, sagt Rosenthal,„die Römer waren schon da, die Germanen, die Sachsen und die Ungarn.“

Klausenburg sei kein Einzelfall, dennoch habe sich das westliche Europa bislang kaum die Mühe gemacht, in einen ernsthaften politischen oder kulturellen Dialog mit den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern einzutreten. Daran ändere auch der Krieg in der Ukraine nichts, die Probleme Osteuropas würden trotz der großen Hilfsbereitschaft wohl vor allem als Bedrohung für den Wohlstand in den westlichen Ländern gesehen. „Dabei gibt es in Osteuropa so viel Potenzial“, sagt Rosenthal und schwärmt von der konsequenten Bekämpfung der Korruption in Rumänien, von der lebendigen Kulturszene und den hervorragenden Universitäten. Dennoch halte sich aufgrund der Armutsmigranten und Saisonarbeiter hierzulande das Bild eines zurückgebliebenen Landes. „Dass es dort noch kein nennenswertes Unternehmertum gibt, hat mit dem Totalitarismus der Sowjetzeit zu tun. Der hat vieles zerstört. Totalitarismus muss man erlebt haben, das ist ekelhaft, wie Ischias.“ Aber man könne sich doch selbst ein Bild machen: „Die Flugverbindungen nach Klausenburg sind sehr gut, dort kann man ein cooles Wochenende verbringen.“

Peter Rosenthal: Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause. Klausenburg – Visul e casa noastră secretă. Weissmann Verlag, 144 Seiten, 15
Euro.

Lesung in Köln: Donnerstag, 25.8., 20 Uhr, in den Balloni Hallen, Ehrenfeldgürtel 88-94. Eintritt frei.

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Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause   Klausenburg – Visul e casa noastră secretă

Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause   Klausenburg – Visul e casa noastră secretă – ISBN 978-3-949168-03-1

„Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause  / Klausenburg – Visul e casa noastră secretă“ ist eine rumänisch-deutsche Text Auslese der Partnerstadt von Köln: Cluj/Klausenburg.

Der Weissmann Verlag hat gemeinsam mit der rumänischen Schriftstellervereinigung Klausenburg ein literarisches und zugleich städtepartnerschaftliches Projekt verwirklicht. Klausenburger Schriftsteller haben mit ihren deutschen Kollegen diese Sammlung zusammengestellt, die – hier wie dort – den gemeinsamen europäischen Traum erzählen. Ein Traum, der wie auf einem Spaziergang durch die rumänische Stadt, ein „zu Hause“ sucht und findet.
 
Gemeinsam mit der rumänischen Schriftstellervereinigung Klausenburg hat der Kölner Weissmann Verlag mit „Cluj – Der Traum ist unser geheimes Zuhause  / Klausenburg – Visul e casa noastră secretă“ ein literarisches und städtepartnerschaftliches Projekt verwirklicht. Klausenburger Schriftsteller haben mit ihren deutschen Kollegen diese Sammlung zusammengestellt, welche – hier wie dort – von einen gemeinsamen europäischen Traum handelt. Ein Traum, in dem man wie auf einem Spaziergang durch die rumänische Stadt ein „zu Hause“ suchen und finden kann:
Sânziana Batişte wird gleich zu Beginn, sich noch in einem Fahrzeug befindend, den Handschuh in den Ring werfen. Claudiu Groza wird als nächster morgens zwischen 4 und 6 Uhr nach einer durchzechten Klausenburger Nacht einsteigen. Wenn danach Unklarheiten aufkommen sollten, werden sie von Eugen Cojocaru sicherlich geklärt, auch was es mit dem „eigelben Kanarienvogel mit weichen Federn und Tintenaugen“ auf sich hat.

Dann aber ist Zeit für ein Glas „Wasser aus Cluj“ mit Ion-Pavel Azap. Wenn Hunger aufkommt, werden wir auf das Herkömmliche, wie zum Beispiel die Klausenburger Krautfleckerl (Varză de Cluj) verzichten und werden einen postdadaistischen Imbiss nehmen, serviert von Victor Ţarină (natürlich nachdem wir mit ihm auch die Angel ausgefahren haben). Doina Cetea begleitet uns entlang der „Langen Straße“ mit einer 4/4 Postkarte als Reiseführerin, um in der „Mitte“ anzukommen, wo Irina Petraş zwei Hälften des eigenen Lebens zu einem Ganzen fügt – es hätte auch unseres sein können.

„Diese Stadt kann ich nicht mehr verlassen, obwohl es mir klar geworden ist, dass ihr etwas fehlt. Im Übrigen bin ich auch nicht das geworden, was ich mir gewünscht hatte, ich bin nur nahe drangeblieben.“

heißt es dann in Alexandru Vlads „Die Stadt aus meiner Sicht“. Anschließend begeben wir uns mit Andrea Ghiță in die Donath Straße und besorgen uns gemeinsam mit ihr einen schönen Strauß blühenden Flieder.

Das Hardcover fadengeheftete gebundene Buch hat 144 Seiten ist durchgehen zweisprachig deutsch-rumänisch und ist mit stimmungsvollen Schwarz-Weiss Fotografien aus Cluj-Napoca illustriert.


Auf diese Weise gestärkt und vorbereitet geht es zunächst hinauf zur kleinen Burg, wo uns der Dichter Imre József Balász, eine Skulptur in die Luft schnitzt und dann werfen wir unseren Blick in, lassen es aufleuchten mit und von Ion Mureșan:

„Und ich denke, nach und nach dem Weg der Kerzen folgend wird der kleine Friedhof meines Dorfes eine Reise um die Erdkugel gemacht haben und eines Tages, vielleicht in tausend Jahren, werden die Kerzen gleich den Schiffen Magellans, dahin zurückkommen, von wo sie einst in die Ferne gesegelt sind.“


Schließlich begeben wir uns in die Hände der Arztkollegen Andrei Schwartz, Filippo Modica und Severin Maier Hasselmann, die uns in nostalgischen Rückblicken erklären, wie es ist, in Klausenburg geboren zu sein und später die Stadt verließ, oder wie es ist, als Fremder sich dort zum Studium einzufinden. Bevor zum Schluss Peter Rosenthal noch einmal das Wort ergreifen wird, führt uns Marcus Bauer (der eigentlich in Berlin zu Hause ist) durch das postmoderne Mărăști. Und, wie so häufig, hätten wir fast vergessen noch eine Postkarte zu senden, von da nach dort: Damit grüßt uns schließlich Vasile Gogea.