Pressestimmen

„Das Buch ist haptisch so wunderbar, man hat richtig Lust, darin zu blättern und zu lesen; die Photos sind sagenhaft.“

Dr. Albrecht Classen


Buchbesprechung und Interview mit Martin Stankowski bei WDR3 – Kultur am Mittag, Sendung vom 31.12.2019

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-kultur-am-mittag/audio-koeln-bei-nacht-als-buch-100.html

31.12.2019 WDR 3 Kultur am Mittag

„Nachts nicht weit von wo“ heißt ein neues Buch, in dem alt eingesessene Kölner Autoren aber auch Autoren, die in Köln Zuflucht gefunden haben, von Köln in der Nacht erzählen. Dazu ein Gespräch von Sascha Ziehn mit Martin Stankowski.

Was in den vermeintlich normalen Nächten passiert und was die Nacht mit einem macht, wenn man gerade mal nicht schläft, darauf schauen Peter Rosenthal, Michael Weißmann und Stefan Flach in ihrem Buch „Nachts nicht weit von wo“, das Ende 2019 im Weissmann Verlag erschienen ist. Martin Stankowski hat sich für die WDR Sendung „Kultur am Mittag“ ins Nachtleben in Buchform gestürzt.

Sascha Ziehn: Welche Blicke in die Nacht gibt es denn in diesem Buch?
Martin Stankowski: Das sind Fotos als Bildblicke und das sind Textblicke. Also Texte kann man eigentlich nicht Blicke nennen, es sind Assoziationen, Erinnerungen, es geht um Abschied, es geht manchmal um Tod, es geht um Sex, es geht um viel Kultur und es geht um die Ruhe in der Nacht, oder die Sehnsucht nach der Ruhe in der Nacht.

Wie ist das Ganze gestaltet, in welchen Formaten wird dieses Thema Nacht in dem Buch präsentiert?
Es gibt eigentlich alle literarischen Formate die man sich vorstellen kann. Es gibt Lyrik, es gibt kurze Sentenzen, es gibt Zitate, es gibt kleine Erzählungen und dazu gibt es mehrere Fotostrecken von verschiedenen Fotografen die zusammengeholt worden sind, wie auch die verschiedenen Autoren, und sie alle beschäftigen sich mit dem sehr subjektiven Blick in die Nacht.

Mir gefallen diese Bildstrecken, die die Nacht mit dem Schwerpunkt Ehrenfeld fotografieren. Ehrenfeld ist ein Kölner Stadtteil – ein alter Arbeiter-Stadtteil – der so ein Art Szene Stadtteil geworden ist. Es gibt Schwarz-Weiß und Farb-Bildstrecken, die mir sehr gut gefallen, in der Tätigkeiten oder Blicke auf das Leben auf der Straße in der Nacht dargestellt werden. Also immer im öffentlichen Raum, nicht im privaten Raum.

Es gibt zum Beispiel einen Autor, Albrecht Classen – das hat mir sehr gut gefallen – der bedauert wie hell es geworden ist. Er schreibt: „Man hat uns die Nacht geraubt“ und „Gott sprach es werde Licht“ seitdem leuchtet es auch von allen Seiten prächtiger und heller, als es sich der gute Schöpfer hätte je ahnen lassen. Die Helligkeit ist also auch ein Thema, das in diesem Buch vorkommt.

Nacht kann ja auch immer so ein bisschen Klischee sein. Auf der einen Seite ist es das Partyvolk, auf der anderen Seite vielleicht die leeren Straßen, die Melancholie und Einsamkeit die da vielleicht auch mitschwingt. Wo arbeiten sich die Fotografen in dem Buch entlang?
Es geht um sehr subjektive Blicke oder Eindrücke. Es geht sehr stark um Melancholie, um die Erfahrung der Nacht, die Tätigkeit in der Nacht. Aber dabei wird es nicht in irgendeiner Weise idealisiert. Es geht im Buch nicht darum, zu sagen: das ist das tollste, sondern die Nacht ist einfach ein Teil des Lebens.

Bei den Bildern ist mir aufgefallen wie viele kulturelle Aktivitäten in der Nacht stattfinden, wie zum Beispiel Musikveranstaltungen, Performances auf der Straße, Theaterstücke, usw. – das ist natürlich in einem Stadtteil fotografiert, der sehr lebendig ist. Man muss aber auch dazu sagen, Ehrenfeld, das ist zwar der Ort in dem viele Bilder aufgenommen wurden – aber es geht in dem Buch nicht um Ehrenfeld. Das ist wie eine Art Metapher: man könnte das in jedem anderen Stadtteil, in jeder anderen Stadt genauso machen. Wie ist das eigentlich mit der Dunkelheit? Wie ist es mit der Sexualität? Wie ist es mit dem Thema Abschied? Wie ist es mit dem Thema Alkohol? Das wird auf eine sehr feinsinnige Art gemacht.

Ich glaube, es spielt auch eine große Rolle, dass es sehr unterschiedliche Autoren sind. Es gibt ja – das wusste ich vorher auch nicht – einen Exil PEN Club. Das sind Autoren in der internationalen literarischen Gemeinschaft PEN, die auf Deutsch schreiben aber nicht in Deutschland leben. Oder die in Deutschland leben aber aus einem anderen Land kommen. Solche Autoren sind zu dem Buch eingeladen worden, mit sehr kurzen knappen Assoziativen Texten beizutragen.

Das Buch ist dem neuen Kölner „Weissmann Verlag“ erschienen. Es ist die Premiere, der erste Titel. Wer verbirgt sich hinter diesem Verlag und was ist die Idee dahinter?
Michael Weißmann, nach dem der Verlag benannt ist, ist der Hauptfotograf dieses Buches. Dazu gehört der Designer Stefan Flach. An dieser Stelle muss ich erwähnen, es ist ein typografisch und grafisch wunderbar gestaltetes Buch. Und der Dritte im Bunde ist Peter Rosenthal. Er ist Arzt in Köln, stammt aus Rumänien und hat schon eine ganze Reihe Bücher wie z.B. ein wunderbares „Ehrenfeld Alphabet“ gemacht.

Peter Rosenthal und Stefan Flach haben vor zwei Jahren schon ein Buch „Venedig ist auch nicht größer als Ehrenfeld“ herausgebracht das eher soziologisch, politisch, historische Texte darstellte. In ihrem neuen Nacht Buch geht es nie um Politik. Nicht ein einziges Mal. Und es geht nicht um soziologische Annäherung. Man könnte ja über die Arbeit in der Nacht schreiben. Oder über die Frage wie der Verkehr in der Nacht aussieht. Alles das spielt hier keine Rolle, es sind in dem Nacht Buch die sehr subjektiven Blicke.

Und die drei haben sich nun zusammengetan und haben einen neuen Verlag gegründet. Es ist nun der erste Titel erschienen. Als Büchermacher sind sie neu aber die drei sind ja Profis in ihrem jeweiligen Gewerbe, sie haben ein sehr schönes Buch gemacht. Mit viel Engagement und mit viel Liebe. Man kann wunderbar darin blättern, man kann sich in die Texte vertiefen, man kann seine eigenen Assoziationen laufen lassen und hat ebenso ein schönes Buch zum verschenken.

Peter Rosenthal ist eigentlich Arzt im normalen Leben. Er hat schon mehrere Bücher über und auch an seinen Stadtteil Ehrenfeld geschrieben. Was interresiert ihn denn so an dieser – nennen wir es mal Heimatliteratur?
Es ist Heimatliteraur und es ist keine Heimatliteratur. Heimatliteratur insofern in dem es sich um den Ort handelt, der an dem er lebt und arbeitet. Er hat sozusagen eine „Allerweltspraxis“. Er hat sich sehr beim Kölner Appell engagiert, eine der ältesten Anti Rassismus Initiativen in Köln. Aus diesem Umfeld hat er Menschen, auch als Patienten kennengelernt – gleichzeitig ist auch hier Heimat die Metapher für die Sehnsucht die man hat, oder für die Sehnsucht die man hat, dass es besser wird, oder Sehnsucht nach dem Ort, an dem man sich wohl fühlt. Das ist in diesem Fall Ehrenfeld, könnte aber auch Köln-Nippes, im Rechtsrheinischen oder in Bergisch-Gladbach oder Hannover sein.

Funktioniert das denn? Vermittelt „Nachts nicht weit von wo“ so ein Nachtgefühl beim lesen und anschauen?
Nein es ist natürlich kein Nachtgefühl. Nachtgefühl kann sich nur entwickeln wenn ich in der Nacht bin, das ist klar.

Und es ist subjektiv, also die Frage ist ob man selber mit seinen Erinnerungen mit seinen Assoziationen damit etwas anfangen kann. Ich konnte das. Was ich sehr schön finde – der Untertitel Ehrenfeld der im Titel nicht so heißt, der aber gemeint ist, kommt nur sehr indirekt vor. Es gibt hier mal ein Foto von einer Straßenbahnhaltestelle oder es gibt da so ein Foto von einer Dönerbude. „Kebabland“ heißt die. Das Kebabland ist zum Beispiel einer der Kult-Fress-Schuppen in Köln Ehrenfeld. Es gibt ein wunderbares Zitat von Jan Böhmermann:

„Begrabt mein Herz im Kebabland. … und das mein Herz dann am Herz- und Nieren Spießchen landet.“

Jan Böhmermann

Das ist so ein kleiner Hinweis auf den Ort. Wenn man abends oder nachts gerne eine Kleinigkeit lecker essen gehen will, dann geht man in so eine Dönerbude, dann geht man zum Kebabland – wenn man im linksrheinischen in der Ecke von Ehrenfeld unterwegs ist. Aber gleichzeitig wird die Geschichte nicht genau thematisiert. Sondern nur als Foto. Es kommt also nur assoziativ vor. Das bedeutet mit den eigenen Erinnerungen und Erfahrungen ist man mit dem Buch wunderbar bedient.


„Viele tolle Fotos!“

Irène Bourquin