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Einblicke in die Herzen der Menschen einer siebenbürgischen Stadt

Klausenburg/Cluj – eine literarische Nostalgie

Eine Rezension von Katharina Biegger

Fragend nimmt die Leserin das hübsch gemachte Buch mit dem rätselhaften, deutsch-rumänisch verschränkten Titel in die Hand: Was ist das? Welcher literarischen Gat­tung ist es zuzuordnen? Was will es von mir?

Das Buch ist ungewöhnlich. Kein (Heimat-)Roman, keine Lokalgeschichte, schon gar kein Reiseführer. Es ist ein Liebhaberprojekt, initiiert von dem Kölner Arzt Peter Rosenthal, der in Rumänien geboren wurde, in den 1970er-Jahren nach Deutschland kam und sich in Köln niedergelassen hat. Cluj ( dt. Klausenburg, ung. Kolozs­var) ist Partnerstadt Kölns, wo auch der Weissmann Ver­lag situiert ist, an dessen Gründung Peter Rosenthal be­teiligt war. Denn er ist nicht nur als Internist tätig. Gerne schreibt, publiziert, dichtet, übersetzt er. So hat er bei ei­ner Lesung in Klausenburg Mitglieder der rumänischen Schriftstellervereinigung kennengelernt, mit denen er dieses Buchprojekt entwickelt hat. Die Sammlung hand­le vom gemeinsamen europäischen Traum: ,,Es gibt ja kaum eine europäischere Stadt als Klausenburg“, meint Rosenthal, ,,die Römer waren schon da, die Germanen, die Sachsen und die Ungarn.“ Absicht des Buches sei es, ,,eine Europäisierung in umgekehrter Richtung“ zu be­treiben – Wissenstransfer nicht wie in früheren Epochen einsinnig von West nach Ost. Vielmehr wolle er „den Menschen im Westen einen Einblick in die Herzen der Menschen eines osteuropäischen Landes, in diesem Fall Rumänien, geben“ (S. 13).

Knapp zwanzig einzelne Beiträge sind in dem Band enthalten: kleine Dichtungen, Beobachtungen und Im­pressionen, die mehr oder weniger explizit zu der Stadt im Nordwesten Rumäniens in Beziehung stehen. Alle sind sie konsequent jeweils in Deutsch und Rumänisch abgedruckt ( einmal auch in drei Versionen, da das Un­garische nicht ganz vergessen werden soll); übersetzt hat – auf zuweilen recht eigenwillige, interessante Weise – der Initiator und Herausgeber Rosenthal, der auch einen Rahmen aus Einleitung und Nachwort beigegeben hat, worin er bekennt, er selbst sei mit Klausenburg eigent­lich gar nicht besonders vertraut. Die 15 zumeist rumäni­schen Autorinnen und Autoren, die zu diesem Buch bei­getragen haben, sind oft aus den umliegenden Dörfern in das Zentrum der Region gekommen, wenn sie nicht schon geborene Klausenburger sind; viele haben Schu­le und Studium dort absolviert, sind danach vielleicht weitergezogen nach Bukarest oder nach Beer Sheva – oder sie sind für immer hängen geblieben, wie etwa Irina Petra: ,,Ich weiß nicht, wann ich mich in Cluj verliebt habe, aber eines ist sicher, ich gehöre zu Jenen, die es nie verlassen werden.“ Unter den jeweils höchstens fünf Sei­ten umfassenden Beiträgen findet sich Nachdenkliches, Persönliches, auch Kurioses, Ironisches, Verträumtes. In einem meiner Lieblingsstücke, karg und absurd wie die Zeiten vor 1989, geht es um das Rezept eines Fisch­gerichtes – da der Fisch jedoch fehlt, bleibt es bei der Beilage, also Kartoffeln mit Salz (Autor Victor Tarinä). Einer Reisereportage am nächsten kommt das Portrait des Stadtteils Märä?ti durch Markus Bauer. Besonders stimmungsvoll, ja philosophisch ist der Beitrag von Ion Murean: über die Lichter, die in Siebenbürgen zu Aller­seelen (,,Luminatia“) auf die Gräber der Toten getragen werden.

Ein paar leicht zu eliminierende kleine ( oft Tipp- oder Druck-) Fehler hätte ein professionelleres Lektorat ver­meiden können. Gewünscht hätte ich mir auch, dass das Entstehungsjahr der abgedruckten Stücke vermerkt wor­den wäre, wo es sich (wie in einigen Fällen kenntlich) nicht um Originalbeiträge für diese Publikation handelt. Weiter hätte mir gefallen, wenn die beigegebenen, atmo­sphärischen schwarz-weiß Fotos Klausenburger Örtlich­keiten zeigten, die in dem einen oder anderen Beitrag explizit genannt und beschrieben werden (z.B. die Do­nath-Straße oder eben Märäti). Aber das wäre der Gat­tung „Reiseführer“ vielleicht schon zu nahe gekommen.

Die Beschäftigung mit diesem sympathischen Buch hat jedenfalls meine Lust geweckt, Klausenburg mit sei­nem „merkwürdigen Lokalpatriotismus des Fernwehs“ einmal wieder zu besuchen!

Diese Rezension ist erschienen in „Deutsch-Rumänische Hefte – Caiete Germano-Romane“, Jahrgang XXVI • Heft 1 • Sommer 2023