Der Fotoband des Kölner Fotografen Stefan Flach ist entstanden im Sommer 2020 auf Mallorca, am berühmten Strandabschnitt an der Playa de Palma – besser bekannt als „Ballermann“. Er reiste dorthin mit der Idee, den verlassenen Ballermann in der Pandemie einzufangen. Ähnliche Projekte mit geschlossenen Freizeitparks hatten ihn auf die Idee gebracht. Nicht ganz klar war, ob er überhaupt dorthin reisen durfte, doch dann hat es spontan geklappt. Denkt man bei Ballermann als erstes an die kontroverse deutsche Feierkultur, zeigen diese Fotos genau das Gegenteil: Eine leere Promenade und nüchterne Kneipenfassaden, soo wie es sich der ein oder andere Einheimische wünschen würde, ohne betrunkene Touristen*innen und deren Hinterlassenschaften (der Putzeimer mit Sangria ist mittlerweile nicht mehr erlaubt).
Stefan Flach ist bei Recherchen für sein Buch auf das Paar Annette und André Engelhardt gestoßen. Die Engelhardts haben sich den Begriff „Ballermann“ rechtzeitig schützen lassen und sind damit reich geworden. Jeder Gastwirt, der eine Ballermann-Party veranstalten möchte, muss die beiden um Erlaubnis fragen und Lizenzen bezahlen. Sie kommen im Buch genauso ehrlich zu Wort wie mallorquinische Angestellte im Tourismus, die eine negative Meinung zum Sauftourismus haben. André Engelhardt sagt im Buch: „Der Ballermann ist kein Ort. Er ist vor allem eine Marke und ein Lebensgefühl für eine Gemeinschaft die gerne zusammen feiert.“ Man kann dieses Gefühl auch in einer Kneipe in Köln erleben, wenn man will.
So erfährt man auch, wie der FC Merowinger 1972 erstmals als Thekenmannschaft an die Playa de Palma reiste. Weil das damals schon billiger war als ein Urlaub in Westdeutschland. Im Handgepäck die Kölsch-Fässer und Töpfe voller Gulasch, weil se der spanischen Küche misstrauten. Und da ein Kölner auch in fremden Ländern stets zeigen muss, dass er ein Kölner ist, kamen auch die Karnevalskostüme am Strand zum Einsatz.
Die 37 farbigen, anschaulich schlichten Fotos zeigen die Touristenhochburg ohne Leuchtreklame und Partys um 5 Uhr 30. Nur leer Straßen, verrammelte Eingänge und verwaiste Plätze. Absperrgitter ohne Schlangen. Der Bierkönig unscheinbar wie eine Lagerhalle (auf dem Cover). Tristesse weit und breit, wo doch sonst gerne gefeiert wird.
Keine Cordula Grün und keine zehn nackten Frisösen weit und breit. Nicht mal eine.
Auch der Kölner Fotograf Chargesheimer zeigte schon in seinem Buch „Köln5Uhr30“ das menschenleere Köln und das nackte Bild einer Stadt, die ohne deren Menschen schön hässlich und einsam wirkt. Diese Parallele ist natürlich beabsichtigt.
Flach schreibt in seinem Buch: „Ohne die vielen Menschen wirkt der Ort grotesk, auf eine brutale Art entzaubert, enttarnt als billige Fassade.“ Derart stillgelegt, strahlt der Ballermann tatsächlich nur Schäbigkeit und Tristesse aus. Nichts, was sich für die Bewohner*innen von S’Arenal zurückerobern lohnte. Auch kein Ort, der besonders reizvoll ist, wenn man ihn für sich ganz alleine hat. Eine Geisterstadt, ganz ohne Geheimnisse.
Ein schönes Fotobuch, ansprechend gestaltet, Fotos einheitlich farbig, mit vielen interessanten Texten, Gedanken und Infos. Für jeden*jede der*die schon mal dort war oder mal wieder hin möchte, ein Muss – aber ihr solltet vielleicht besser erst nach der Pandemie wieder dort hinfliegen. Die Autorin war selber schon mal am Ballermann und hat es dort auch zu normalen Zeiten sehr irritierend gefunden. Gut, dass diese schöne Insel noch sehr viel mehr zu bieten hat!